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Inhalt: Kurzgeschichten

Frohes neues Jahr!

Oberwachtmeister Schmitz ist sauer.
Seit vierzig Jahren ist er nun im Dienst und gerade dieses Jahr hatte er sich gefreut mit seiner Frau mal einen richtig ruhigen Abend zum Jahreswechsel verbringen zu können.
Doch ausgerechnet jetzt musste sein wesentlich jüngerer Kollege vor zwei Wochen heiraten und ist nun in Flitterwochen, ach ja, der Polizeidienst ist einfach unberechenbar.
Oberwachtmeister Schmitz beendet seine Streife in der Fußgängerzone, biegt um die Ecke zum Parkplatz und traut seinen Augen nicht.
Er nimmt seine Brille ab, wischt drüber, setzt sie sich wieder auf, doch das Bild will nicht verschwinden.
Da steht ein Kerl an seinem Dienstfahrzeug, der sich mit beiden Händen am Dach abstützt und gegen sein linkes Hinterrad pinkelt.
"Sind Sie eigentlich total verrückt geworden oder völlig betrunken? Sie nehme ich direkt mal mit zur Wache und Sie werden den Rest der Nacht in der Ausnüchterungszelle verbringen!"
"Verzeihen Sie Herr Wachtmeister, das ist mir schrecklich peinlich, ich habe nicht getrunken, aber ich bin völlig durch den Wind.
Sie können sich nicht vorstellen was mir passiert ist!"
"Na, auf die Erklärung bin ich aber gespannt!"
"Ja, also meine Frau und ich machen um Mitternacht eine Flasche Sekt auf, wie jedes Jahr eben und dann sagt sie plötzlich zu mir, dass ich meinen Mantel nehmen soll und das Haus verlassen soll und nicht mehr wiederkommen brauche.
Nach fünfzehn Jahren Ehe mit dem größten Trottel der Welt habe sie jetzt und für immer die Schnauze voll.
Ich dachte sie mache einen Scherz, aber ihre Augen waren eiskalt, ihr Gesichtsausdruck ernst und bestimmend.
Dann ging sie zur Garderobe, reichte mir meinen Mantel und öffnete die Tür.
Ich konnte nichts mehr sagen. Natürlich war sie immer Herr im Haus, ich meine sie ist ja auch Geschäftsführerin einer großen Immobiliengesellschaft, das Haus in dem wir lebten gehört ihr und ich bin nur Hausmann gewesen, aber unser Leben lief in geordneten Bahnen, sie den Job, ich den Haushalt, wir waren uns treu ergeben und es hat nie jemals Streit zwischen uns gegeben.
Und dann so was! Finden Sie das ok?
Was mache ich jetzt, ich habe nur noch 20 Euro in der Tasche und die Konten verwaltet meine Frau.
Ich weiß nicht mehr weiter und wohin."
"Na, das ist ja eine feine Geschichte.
Haben Sie Ihren Personalausweis dabei?
Lassen Sie mal sehen. Hm, Friedrich-Ebert-Str.
Ich sage Ihnen was, da fahren wir gleich mal vorbei, aber Sie haben mir meinen Wagen verdreckt, Sie Ferkel!"
"Entschuldigen Sie nochmals, wir können ja vorher in eine Waschstrasse fahren, was meinen Sie?"
"Ok, steigen Sie ein."
Oberwachtmeister Schmitz hat das Gefühl, dass diese Nacht noch lange nicht vorüber ist und denkt bei sich, dass dieser Typ spinnt, jedoch wenn die Geschichte wahr ist seine Frau auch nicht mehr sauber tickt.
Jedenfalls muss das geprüft werden.
Zunächst jedoch steuert er eine Nachttankstelle an und aktiviert die Waschstraße.
Dem Kerl verordnet er ruhig sitzen zu bleiben, er gehe mal gerade Zigaretten holen.
Als er zurückkommt, rollt der Dienstwagen gerade aus der Waschstraße.
Oberwachtmeister Schmitz öffnet die Tür, jedoch von dem Kerl keine Spur.
Auf dem Boden des Beifahrersitzes liegt das Funkgerät in einer Wasserpfütze.
Aber wo ist der verdammte Kerl?
In diesem Moment ertönt lautes Sirenengeheul und ein Dutzend Polizeiwagen und Mannschaftstransporter umkreisen die Tankstelle, halten an, Polizisten und SEK-Männer verlassen geschwind die Fahrzeuge, gehen hinter ihnen in Deckung und zücken Pistolen und Maschinenpistolen; auch Scharfschützen sind dabei, die ihre Gewehrläufe auf die Tankstelle ausrichten, die nun im Licht der mitgebrachten Scheinwerfer taghell erleuchtet wird.
Plötzlich erklingt eine Stimme aus dem Megaphon und fordert den Kidnapper auf alle Geiseln in der Tankstelle freizulassen und selber mit erhobenen Händen herauszutreten.
Plötzlich geht im Gebäude die Tür auf und der Tankwart kommt mit erhobenen Händen langsam heraus.
Ein SEK-Mann schnellt vor und reißt ihn hinter die Wagen in Deckung.
Sofort wird er befragt: Wie viele Geiseln und Geiselnehmer und ob sie bewaffnet sind?
Der Tankwart guckt völlig verstört und stammelt nur noch, dass außer ihm kein Mensch im Gebäude sei.
SEK-Männer stürmen sofort das Gebäude und finden tatsächlich: Nichts.
Jetzt gucken die Polizisten völlig verstört und richten sämtliche Scheinwerfer auf Oberwachtmeister Schmitz, der nun plötzlich hell angestrahlt und völlig erstarrt mit erhobenen Armen und heruntergefallener Kinnlade im Licht seiner Kollegen steht und denkt:
Der Kerl, das Schwein, die Rente, alles futsch! Frohes neues Jahr!

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