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Inhalt: Kurzgeschichten

Supermarkt des Grauens

Herr Fröhlich wachte mit einem wunderbaren Gefühl auf. Noch schlaftrunken schaute er eine Bestätigung erwartend
auf seinen Wecker. Jawoll, es war Samstag, endlich Wochenende und er brauchte sich nicht zu hetzen,
die äußerst harte und stressige Woche war vorbei und erfreut seufzend drehte er sich noch mal rum.
Ach herrlich, dachte er, ich kann noch so lange mummeln, wie ich Lust habe. Er würde es sich dieses Wochenende
so richtig gut gehen lassen und sich besonders schön verwöhnen.

Um halb zehn kleidete Herr Fröhlich sich an, denn es war wie jeden Samstag erstmal Zeit einkaufen zu gehen.
Er kaufte immer direkt für die ganze Woche ein, da er es lästig fand, nach Dienstschluß auch noch einkaufen zu müssen.
Der Supermarkt war direkt um die Ecke und er ging schon seit 10 Jahren dorthin. Das hatte den Vorteil,
dass die Belegschaft ihn gut kannte und er immer zuvorkommend bedient wurde. Was man ja so
von der Dienstleistungsbereitschaft des Personals anderer Märkte hörte, war doch sehr erschreckend.

Auch heute begrüßte der Filialleiter ihn wieder mit einem höflichen und freundlichen 'Guten Morgen, Herr Fröhlich!'
Die Mitarbeiterinnen, die in den Gängen die Ware einräumten, beglückten ihn mit einem herzlichen Lächeln.
Das tat ihm sehr gut und so ging er leicht und beschwingt durch den Markt. Routiniert griff er in die Regale:
eine Packung Korkenbrot, die immer für Samstag vorgesehene Pizza Dr. Uebel Speziali, Duschgel, 5 Flaschen Kohle-Light,
Wasser ohne Gas. An der Fleischtheke ging er diesmal vorbei, denn am Sonntag würde er so richtig gut essen gehen.
Dann griff er zum guten Subtil-Waschpulver, legte zwei Tüten Milch in den Einkaufswagen, wobei er dachte,
dass es ja schon unverschämt sei den Preis pro Tüte gleich um fast 20 Cent anzuheben und wer sich dabei
wohl mal wieder die Taschen voller Geld machen würde.
Aus dem Getränkeregal nahm er zwei Flaschen Ekelinger und - um ein bisschen Abwechslung zu haben -
noch eine Flasche Paulchenlaner, denn ein Wochenende ohne sein geliebtes Hefeweizen, war kein Wochenende.
Weiterhin kaufte er eine Dose Heringe in Tomatensauce, denn er hatte in letzter Zeit so einen Heißhunger auf Fisch,
natürlich noch Chips, ah und da gabs ja auch wieder die hartgekochten Eier im Sechserpack.
Er hatte sich seit dem letzten Urlaub angewöhnt am Wochenende immer ein Ei zu essen, wobei er sich jedoch eingestehen musste,
dass er im Grunde genommen doch sehr faul war und die Eier lieber fertig kaufte, statt sich Frische zu kochen.
Zu guter Letzt nahm er natürlich noch die Samtagszeitung mit.

An der Kasse angekommen, erwartete ihn die Kassiererin schon mit einem strahlenden Lächeln und wünschte ihm
zum Abschied ein 'Wunderschönes Wochenende, Herr Fröhlich!' Schmunzelnd packte er seine Einkäufe in die Stofftragetaschen
und ging hinüber zur Bäckerei um noch frische Brötchen zu kaufen. Die durchaus äußerst attraktive Bäckereiverkäuferin
fragte ihn mit großen, glänzenden Augen: 'Was darfs denn heute sein, Herr Fröhlich?' Als er ihr das Geld reichte,
schaute sie ihm tief und geheimnisvoll in die Augen, worauf Herrn Fröhlich sehr warm ums Herz wurde.
Beglückt machte er sich auf den kurzen Heimweg.

Zu hause packte Herr Fröhlich die Taschen aus und stellte seine Einkäufe an den dafür vorgesehenen Platz.
Dann zog er sich seine gemütliche Hauskleidung an und setzte sich voller Freude an den Frühstückstisch.
Er schmierte sich ein Brötchen und nahm ein Ei aus dem Sechserpack. Als er es wie üblich aufklopfen wollte,
zerbrach es ihm dabei unter der Hand. Verblüfft schaute er auf die Eierschalen, das Ei war leer.
Nanu, dachte er, das ist ja ungewöhnlich, na ja, kann ja mal vorkommen. Er nahm das nächste Ei und grunzte zufrieden,
als er es gepellt hatte. Nach der ersten Brötchenhälfte mit Ei füllte er sich seine Tasse mit Vanille-Pulver
und öffnete die Milchtüte. Dann hob er die Tüte an, um die Milch einzugießen, doch statt der Milch
fiel ihm ein riesiger Quarkklumpen in die Tasse. Entsetzt starrte Herr Fröhlich auf die Tasse,
dann auf die Tüte und wieder auf die Tasse. Was da in seiner Tasse schwamm, verursachte ihm leichte Übelkeit.
Die Milchtüte noch in der Hand, war seine erste Reaktion auf das Haltbarkeitsdatum zu schauen
und er registrierte noch im Schock, dass diese Milch schon seit einem Monat abgelaufen war.
Er stellte die Tüte auf den Tisch zurück und hatte plötzlich keine Lust mehr auf Frühstück.
Wie konnte man solche Ware noch ins Kühlregal stellen, dachte er. Ekelhaft!

Herr Fröhlich wollte sich jedoch nicht seine gute Laune verderben lassen und machte sich auf zu seinem
samstäglichen Ausflug in die City. Beim Shoppen fühlte er sich wieder wohler und machte unterwegs Halt in einem Cafe,
aß ein belegtes Brötchen und trank eine große Tasse Kaffee. Wohlgelaunt und bepackt mit seinen Einkäufen,
traf er nach Mittag wieder daheim ein. Zeit fürs Mittagessen. Er riss die Verpackung der Pizza auf und stutzte.
Auf der Pizza befand sich - Nichts!!! Keine Spur von Salami oder Schinken und Pilzen, noch nicht mal Tomatensauce,
bloß der nackte Teig. Herr Fröhlich atmete tief durch. Irgendwie war das wohl doch nicht sein Tag.
Er schmiss alles in den Mülleimer und ging zu seiner Lieblingsimbissbude.

Wohlgesättigt kehrte Herr Fröhlich zurück und nahm sich die Samstagszeitung vor. Mal sehen, was es so Neues gab.
Nachdem er den Politik und Sportteil studiert hatte, blätterte er vor zum Anzeigenteil, aber es war keiner da.
Das konnte doch nicht sein! Er blätterte noch mal von vorne bis hinten durch, aber es war absolut kein Anzeigenteil
in dieser Zeitung! Jetzt wurde er doch langsam wütend. Es musste einen Anzeigenteil geben! Er würde ihn finden!
Er begann noch mal von vorne, konzentrier Dich, sagte er sich. Als er zu den Todesanzeigen kam, fiel sein Blick
auf einen Namen und er starrte eine ganze Weile diesen Namen an. Es war sein Name! Fröhlich, Nepomuk. Das konnte nicht sein.
Er wusste, dass es in seiner Stadt keinen Namensvetter gab, jedenfalls stand keiner im Telefonbuch.
Er schaute auf das Geburtsdatum: 06.06.66. Es war seins! Er schaute auf das Todesdatum: Es war heute.
Und darunter stand: Deine Dich innig liebende Ehefrau Petra. Jetzt hatte er aber endgültig die Schnauze voll,
da wollte ihn doch jemand verarschen! Wie konnte die Anzeige heute schon in der Zeitung stehen,
wenn der Todestag auch heute war! Außerdem war er nie verheiratet gewesen und hatte auch nie eine Freundin
namens Petra gehabt. Er kapierte gar nichts mehr.

Ich muss mich entspannen, dachte er, die Woche war sehr hart und ich sollte jetzt unbedingt relaxen.
Er legte die Zeitung weg, zog sich aus und ging ins Bad. Nachdem er die Brause aufgedreht und auf sehr heiß gestellt hatte,
genoss er die erfrischende Wärme des Wassers. Dann nahm er das Duschgel und seifte sich von oben bis unten ein.
Aber irgendwie hatte er den Eindruck, dass das Gel komisch roch. Das bildest Du Dir nur ein, sagte er sich.
Schließlich jedoch geriet ihm etwas davon in den Mund und er spuckte erschrocken aus. Das war kein Duschgel, das war Zahngel!
Er griff noch mal zur Flasche um das Etikett zu lesen: Shower Gel stand da drauf. Ja, einen Schauer bekam er da auch.
Er fing trotz des heißen Wassers an zu frösteln und zitterte am ganzen Leib. Schnell duschte und trocknete er sich ab,
bekleidete sich wieder und zog direkt zwei Pullover übereinander an.

Das war jetzt langsam ein bisschen viel. So eine Menge Irrtümer konnte es einfach nicht geben.
Er zündete sich eine Zigarette nach der anderen an, um sich wieder einigermaßen zu beruhigen.
Ich muss mich unbedingt mit etwas Sinnvollem beschäftigen, dachte er, sonst dreh ich durch.
Ihm fiel sein überquellender Wäschekorb ein und er fing an zu sortieren und die Waschmaschine zu füllen.
Dann drehte er den Wasserhahn auf und streute das Waschpulver ins Fach. Kurz bevor er es schließen wollte,
fiel ihm auf, das es sehr glänzte. Er steckte den Zeigefinger hinein und nahm ihn in den Mund. Es war Zucker.
Herrn Fröhlich war jetzt alles egal. Wenn man also heutzutage mit Zucker wusch, dann war das eben so.
Er schloss das Pulverfach und schaltete die Maschine an. Er setzte sich an den Esstisch und schaute durch das Bullauge,
was sich in der Maschine tat. Er konnte nicht viel sehen, denn nach kurzer Zeit
war das Fenster bis oben hin mit Schaum bedeckt. Und es roch nach Zuckerwatte. Eigentlich sehr angenehm, dachte er.
Was sich die Marketingstrategen so alles einfallen lassen. Na ja, dann roch seine Wäsche eben nach Zucker,
die Kollegen würden sich die Finger nach ihm lecken.

Jedenfalls war jetzt erstmal Zeit fürs Abendessen. Herr Fröhlich schmierte sich seine Brote und öffnete die Fischdose.
Nanu, wo war denn der Hering? Er nahm sein Messer und stocherte in der Dose rum. Ah, ja, da war er ja,
aber ziemlich klein geraten das Viech. Er führte das Messer unter den Hering und hebelte ihn auf sein Brot.
Aber er ließ sich nicht glatt streichen, er war völlig hart. Wütend bearbeitete Herr Fröhlich den Hering mit dem Messer
und plötzlich klappte etwas um und unter der Tomatensauce kam ein Zündstein zum Vorschein. Es war ein Feuerzeug.
Herr Fröhlich schrie laut auf, packte Feuerzeug und Dose und schmiss beides gegen die Wand.
Während noch die rote Sauce an der weißen Tapete herunter lief, sprang Herr Fröhlich immer noch schreiend auf
und stürzte nur auf Socken aus der Wohnungstür. Na wartet, dachte er, Euch werde ich es zeigen.
Mit wutverzerrtem Gesicht und aus Leibeskräften brüllend schlug er im Supermarkt auf.
Vor den Augen der entsetzten Kassiererinnen sprang er aufs Laufband der Kasse und beschimpfte die Angestellten
mit entsetzlichen Flüchen. Nach ein paar Minuten näherte sich der Laut eines Martinhorns,
drei Sanitäter eilten in die Filiale, zerrten den brüllenden Herrn Fröhlich vom Band
und kleideten ihn mit einem Hab-Dich-Lieb-Jäckchen.

Herr Fröhlich wachte mit einem wütenden Gefühl auf. Noch schlaftrunken schaute er eine Bestätigung erwartend
auf seinen Wecker. Jawoll, es war Samstag, endlich Wochenende und er hatte vergessen diesen blöden Wecker auszustellen.
Mist! Er schaltete ihn ab und drehte sich noch mal rum. Zum Glück hatte er heute nichts vor.
Besonders gut fand er, dass er heute nicht in diesen doofen Supermarkt mit den immerzu unfreundlichen Angestellten musste.
Das Einkaufen würde heute seine Frau Petra übernehmen. Er freute sich schon auf das Frühstück mit ihr.

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